Bei einer Integration von Persönlichkeitsverfahren in Assessment-Centern stellt sich die Frage, wie diese sehr unterschiedlich gestalteten Ansätze systematisch miteinander verknüpft werden können.
Persönlichkeitsverfahren arbeiten mit fragebogengestützten Selbstauskünften und versuchen zumeist mit Hilfe klassisch testtheoretischer Item-Strukturen homogene Eigenschaften abzudecken, deren Berufsrelevanz über entsprechende Anforderungsanalysen nachgewiesen sein muss. Assessment-Center setzen die Ergebnisse der Arbeits- und Anforderungsanalysen direkt um, indem sie erfolgskritische Arbeitssituationen simulieren. Das in zumeist dynamisch-offen gestalteten AC-Verfahren (z. B. Rollenspiele, Gruppendiskussionen o. ä.) gezeigte Verhalten wird von geschulten Beobachtenden hinsichtlich definierter Anforderungsdimensionen beurteilt. Insoweit resultiert eine primär verfahrensgebundene Anforderungsabdeckung, die heterogen über Eigenschaften streut.
Herausforderungen der gemeinsamen Nutzung
Die Voraussetzungen für eine kombinierte Nutzung der unterschiedlichen Informationskanäle gestaltet sich damit als schwierig: Zwar haben beide Verfahrensansätze als kleinsten gemeinsamen Nenner „erfolgreiches berufliches Verhalten“ im Blick, nähern sich dieser Thematik aber auf ganz unterschiedlichem Wege an. Der angestrebte Selbst-Fremd-Abgleich wird durch eine unzureichende Konkretisierung der gemeinsamen Schnittstelle behindert.
Da konkrete Anwendungsberichte fehlen, liegt der Verdacht nahe, dass häufig ad hoc über die Beziehung zwischen Persönlichkeitseigenschaften und AC-Anforderungsdimensionen spekuliert wird. Die jeweiligen Entscheidungskriterien bleiben weitgehend im Dunkeln oder werden jedes Mal aufs Neue spontan generiert. Die Gefahr ist groß, dass damit der angestrebte Selbst-Fremd-Abgleich wenig reliabel und valide erfolgt.
In einer Studie am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt e. V. (DLR) wurde im Rahmen des Auswahlprogramms für Nachwuchsflugzeugführer der Deutschen Lufthansa AG der Zusammenhang zwischen diesen diagnostischen Ansätzen genauer untersucht (eine ausführliche Beschreibung findet sich in Höft & Bolz, 2004).
Als Persönlichkeitsverfahren wurde der NEO-PI-R von Costa und McCrae in der deutschen Version von Ostendorf und Angleitner (2004) eingesetzt. Im angloamerikanischen Sprachraum hat sich dieses Verfahren als ultimatives Referenzverfahren zur detaillierten Erfassung des wissenschaftlich fundierten Fünf-Faktoren-Modells der Persönlichkeit etabliert. Dem NEO-PI-R liegt ein hierarchisches Modell zugrunde, für das mit Hilfe von insgesamt 240 Items neben fünf Globaldimensionen jeweils sechs zugeordnete Facetten erfasst werden.
Praxisbeispiel: Assessment-Center am deutschen Center für Luft- und Raumfahrt
Das Assessment-Center besteht am DLR aus drei interaktiven Verfahren: einem Rollenspiel, einer planungsorientierten und einer konfliktorientierten Gruppendiskussion mit jeweils drei bis fünf Diskussionsteilnehmern. In jedem Verfahren werden fünf von insgesamt sieben Anforderungsdimensionen erfasst. Jede Dimension wird mindestens zweimal erhoben.
Es wurde Folgendes festgestellt:
- Zusammenhänge zwischen Allgemeiner Intelligenz und den AC-Dimensionen (Kooperation, Konfliktbewältigung, Empathie, Selbstreflexion, Engagement, Flexibilität, Belastbarkeit und AC-Gesamtergebnis): Intelligenz hängt homogen positiv mit allen AC-Aspekten zusammen; eine besonders hohe Korrelation zeigt sich zur Empathie und zum AC-Gesamtergebnis der Teilnehmenden.
- AC-Zusammenhänge mit den fünf großen Dimensionen: Personen mit hohen Werten in Neurotizismus schneiden schlecht im AC ab. Bewerber*innen, die sich als sehr gewissenhaft beschrieben, zeigen im AC ein hohes Engagement.
- Zusammenhänge des AC-Ergebnisses mit den sechs Extraversionsfacetten (Herzlichkeit, Geselligkeit, Durchsetzungsfähigkeit, Aktivität, Erlebnishunger und Frohsinn): Auf dieser detaillierteren Ebene zeigen sich teilweise deutliche Zusammenhänge zwischen spezifischen Facetten und bestimmten AC-Dimensionen (sehr deutlich z. B. zwischen Durchsetzungsfähigkeit und Engagement).
Unser Fazit:
Während Allgemeine Intelligenz einen positiven Generalzusammenhang mit allen AC-Dimensionen aufweist, sind die Beziehungen im Persönlichkeitsbereich diffiziler: Bedeutsame Zusammenhänge ergeben sich nur für ausgewählte Kombinationen; spezifische Facetten sind erfolgsversprechender als globale Dimensionen.
Literatur
Höft, S., & Bolz, C. (2004). Zwei Seiten derselben Medaille? Empirische Überlappungen zwischen Persönlichkeitseigenschaften und Assessment Center-Anforderungsdimensionen. Zeitschrift für Personalpsychologie, 3, 6-23.
Ostendorf, F. & Angleitner, A. (2004). Deutsche Version des NEO-PI-R. Göttingen: Hogrefe.
Schuler, H. & Höft, S. (2003). Diagnose berufliche Eignung und Leistung. In H. Schuler (Hrsg.), Lehrbuch Organisationspsychologie. (S. 289-343). Bern: Huber
Zum Autor
Dr. Stefan Höft, Dipl.-Psych.; von 1996 bis 2001 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Psychologie der Universität Hohenheim. Seit 2001 Wissenschaftlicher Mitarbeiter (Postdok) am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR), Abteilung Luft- und Raumfahrtpsychologie. Arbeitsschwerpunkte: Eignungsuntersuchungen für Luftfahrtpersonal (Piloten und Lotsen), Koordination und Qualitätssicherung der verhaltensorientierten Diagnostik sowie begleitende wissenschaftliche Forschung zu eignungsdiagnostischen Fragestellungen.