Unter Fachexpertise beschreiben wir die Motivation, das eigene fachliche Wissen über einen bestimmten beruflichen Teilbereich steigern zu wollen, um so bessere Ergebnisse erzielen zu können. Dabei wird das eigene fachliche Wissen aus eigenem Willen heraus gesteigert. Folglich stimmen Personen mit einer hohen Ausprägung der Aussage: „In meinem beruflichen Aufgabengebiet möchte ich sehr kompetent sein.“ überwiegend zu. Darüber hinaus berührt Fachexpertise eines unserer Grundmotive im Leben, wir möchten wirksam sein und das Gefühl haben, etwas bewegen zu wollen. Unsere Studie mit N=200 Berufstätigen zeigt, dass die Fachexpertise sehr unterschiedlich ausgeprägt ist. Dabei sind zwischen Altersklassen keine strukturellen Unterschiede erkennbar.
Fachexpertise und Flow-Erleben
Persönlichkeiten mit einer hohen Ausprägung geben bei Bedürfnisbefriedung ein gesteigertes Flow-Erleben an (Schüler, Sheldon & Fröhlich, 2010). Wir können zahlreiche Studien vorfinden, die einen positiven Zusammenhang der Dimension Fachexpertise mit der Arbeitsleistung aufweisen (Ceasoli, Nicklin & Nassrelgrgawi, 2017; De Gieter, Hofmans & Bakker, 2017). Dies ist auf die entstehende positive Selbstwirksamkeit zurückzuführen, welche sich wiederum positiv auf die Arbeitsleistung auswirkt (De Gieter et al., 2017). Menschen, die in diesem Jobmotiv hingegen einen niedrigen Wert erreichen, sind meist nicht gewillt, große Bemühungen zu investieren. Ihnen genügt ein geringes bis mittleres Fachwissen. Bemühungen, die darüber hinausgehen, wirken demotivierend und können zu einem Gefühl der Überforderung führen (Cerasoli et al., 2016).
Fachexpertise und Führungspotenzial
Die Jobmotivation Fachexpertise ist einer der beruflichen Motive, die in unserem komplett überarbeiten Motivationsfragebogen OJM erhoben werden. Dabei stellen wir fest, dass die individuellen Ausprägungen erheblich variieren. Manche Testteilnehmende weisen das Motiv komplett zurück, andere bejahen alle Items.
Im Rahmen der aufwändigen Validierungsstudie baten wir die für die Testteilnehmenden jeweiligen direkten Vorgesetzten vertraulich um eine Einschätzung. Die Leistungsbewertung wurde durch folgende Frage an die Vorgesetzten erhoben: „Der/die Mitarbeiter/in erfüllt seine Aufgaben in vorgegebener Zeit und Qualität.“ Gleichzeitig wurde nach dem Führungspotenzial gefragt: „Der/die Mitarbeiter/in zeigt Führungspotenzial für die nächste Führungsebene.“
Durchaus überraschendes Ergebnis: Die Fachexpertise steht in einem negativen, signifikanten Zusammenhang zur Leistungseinschätzung, aber in positivem Zusammenhang zum Führungspotenzial. Dies bedeutet, dass ein ausgeprägter Fachexperte aus Sicht des Vorgesetzten eher kritisch in Bezug auf seine Performance eingeschätzt wird. Andererseits wird ihm / ihr Führungspotenzial zugesprochen. Somit stimmt die früher manchmal vertretener Logik Fachmann = kein Führungspotenzial nicht mehr.